Freitag, 4. Februar 2011

Santiago Atitlán - die ersten 2 Wochen

ouf, jetzt sind wir schon seit 2 Wochem hier (heute auf den Tag genau) und ich habe noch keinen einzigen Eintrag geschrieben. Das spricht doch fuer sich!
Also zunaechst einmal: uns gehts gut und wir sind gesund.

Wir sind in einer 12-koepfigen Familie untergebracht, jeder hat zum Glueck ein eigenes Zimmer. Seit gestern wohnt hier auch noch eine hollaendische Krankenschwester was das ganze deutlich angenehmer macht weil der Grossteil der Familie nur Tz'utujil spricht so dass wir so nebeneinander her leben.
Zu Essen gibts Eier (Ruehrei oder Omelett), Frijoles (Bohnen als Suppe, mit Sosse oder pueriert), Reis mit Fleisch oder Nudeln mit Fleisch, alles in jeder erdenklichen Kombiantion, auch zum Fruehstueck (heute zB: Eierreis). Dazu gibts immer (immer, immer, immer...) kleine guatemaltekische Tortillas die die Frauen des Hauses den ganzen Tag selbst machen. Das Essen ist nicht schlecht, nur immer das gleiche, und enorm Kohlenhydrat-haltig.

Santiago ist eine recht grosse Stadt (50.000 Einwohner), allerdings sehr sehr konservativ und traditionell.
Man sieht kaum eine Frau die nicht in Tracht rumlaeuft. Die Maenner tragen meist westliche Kleidung.
Santiago hat vor allem zwei Probleme: es ist arm und die Bildungsstand ist nicht sonderlich hoch.
Selbst die oeffentliche Schule kostet etwas so dass sich viele Familien keine Schulbildung leisten koennen.
Da in den Familien Tz'utujil gesprochen wird und die Kinder erst in der Schule Spanisch lernen (dort wird dann allerdings nur Spanisch gesprochen, Tz'utujil-Unterricht gibt es nicht...) sprechen viele Leute also wenig bis kein Spanisch. Spanisch wiederum ist aber Amtssprache und alle oeffentlichen Geschaefte werden darin abgewickelt; das fuehrt dazu, dass ein Grossteil der Bevoelkerung (60% nur Tz'utujil-sprachige in Santiago) von wesentlichen Alltagsgeschaeften ausgegrenzt sind.

Die andere Kultur ist ein ganz wesentlicher Anteil unserer Alltagsarbeit neben der eigentlichen Behandlung selbst.
So muss frischen Eltern erst erklaert werden, dass man nicht das Gesicht des Neugeborenen abdecken sollte (der Schutz gegen boese Geister).
Wenn wir Ernaehrungsempfehlungen geben werden wir stets gefragt ob die Speisen kalt oder warm eingenommen werden sollen. Wenn wir nicht darauf eingehen oder es nicht von uns selbst aus erwaehnen werden wir fuer ungebildet gehalten. Schliesslich weiss doch jeder gute Maya, dass die warme Nahrung einer Schwangeren das Kind schaedigt.
Wenn wir einem Diabetiker erklaeren, dass er auf Cola verzichten sollte kommt fast obligatorisch die Frage: "aber Fanta geht schon, oder?"; wenn wir auch das negieren wird nach Sprite gefragt usw.
Das ganze geschieht selbstverstaendlich durch Pflegekraefte als Uebersetzer.

An Krankheiten begegnet hier uns sehr oft COPD (chron. Lungenerkrankung, in unseren Breiten als "Raucherlunge" bekannt), allerdings meist nur bei Frauen - sie kochen meist an Holzoefen ohne Abzug, so dass sie schon ab 30 Husten wie bei uns nur die Teerlungen.
Diabetes und Bluthochdruck sind wegen des praktisch nicht-existenten Gesundheitsbewusstseins (zumindest so wie wir es verstehen) sehr weit verbreitet und oft ist die Behandlungsbereitschaft der Patienten gering. Die Medikamente sind teuer und laestig und beides sind Krankheiten die man unmittelbar erst an ihren Spaetfolgen merkt.
Haeufig sind auch Kraetze, Giardiasis und Amoeben-Ruhr.

Das Hospitalito Atitlan ist seit Ende November 2010 in einem grossartigen Neubau untergebracht der immer noch im Bau begriffen ist. Fuer ambulante Patienen verfuegen wir momentan ueber drei Sprechzimmer, zweimal die Woche Akupunktursprechstunde in einem vierten Sprechzimmer sowie eine fast fertige Zahnarztpraxis (aber noch keinen Zahnarzt). Fuer Notfallpatienten bieten wir eine 24/7-Notaufnahme mit vier Betten, einem EKG (das bei jedem Patienten markante Hebungen inV1-V3 anzeigt - Herzinfarkt), Moeglichkeit zur Intuabtion (aber keine zur Beatmung) sowie diverses chirurgisches Material. Auch die Kreiszzimmer mit vier Betten sind rund um die Uhr bereit. Die kleine Krankenstation bietet momentan fuenf Betten von denen meist 2-3 belegt sind. Schliesslich verfuegen wir ueber einen einen OP fuer kleinere Eingriffe und Kaiserschnitte inkl. eingener Sterilisation.
Das aerztliche Personal setzt sich aus insges. 5 guatemaltekischen Aerzten, 2 Langzeit-Volunteers aus den USA und einer staendig wechselnden Menge aus Studenten und Fachaerzten aus aller Welt zusammen, momentan: Sebi und ich, Silivia aus Spanien, Erin und Scott aus den USA, Guy, Internist aus den USA und Kathleen, Gynaekologin, USA.
Das Pflegepersonal ist guatemaltekisch, momentan unterstuetzt von Megan aus den USA und Sandra aus Holland.
Waehrend eines Tages arbeiten in der Notaufnahme ein Arzt und ein Student sowie 1-2 Pfleger; auf der Station sind 2 weitere Pfleger. In den consultorios arbeiten 3 Aerzte (davon ein Gynaekologe) und 2 Studenten sowie 2 Pfleger.
In der Notaufnahme sehen wir 6-12 Patienten pro Tag, in den consultorios sieht jeder Arzt etwa 8 Patienten.
Da wir das einzige Spital mit Notaufnahme und ernstzunehmender Sprechstunde im Umkreis von mind. 3h sind bekommen wir von Gynaekologie, Paediatrie und Geriatrie ueber Trauma und Ortho bis zu Derma, HNO und natuerlich Innere wirklich alles zu sehen.
Das macht die Arbeit natuerlich sehr reizvoll.

Was machen wir eigentlich so?
Als Studenten sind wir immer einem Arzt zugeteilt; meistens arbeiten wir allein (oft ganz allein, manchmal unter Supervision) manchmal unter Drauf-sicht; hin und wieder schauen wir auch nur zu (meist bei Gyn).
IdR erheben wir also unsere Anamnese, untersuchen, ordnen Tests an (sehr begrenzt, da jeder Test fuer die Patienten viel Geld kostet), praesentieren das dann unserem Kollegen und besprechen die Therapie. Wenn viel los ist machen wir aber auch das oft schon alleine.
Etwas gruselig war es am Anfang schon wenn man unter ein Rezept seinen eigenen Namen setzt, unterschreibt und zum Schluss dem Patienten einen Termin zur Wiedervorstellung mit dem eigenen Namen drunter in die Hand drueckt, aber man gewoehnt sich dran.

Insgesamt ist die Arbeit also sehr interessant und macht Spass, die Aerzte (v.a. die Amerikaner) sind grossartig, nett und man lernt viel.
Die Freizeitgestaltung ist hier ein wenig eingeschraenkt und Santiago ist auch keine wirklich schoene Stadt, aber es geht schon.

Eine Abschiedsanekdote habe ich in dem Sinne gerade nicht zur Hand, aber zu berichten, dass ich unter all den Mayapatienten auch ein paar Gringos hatte und tatsaechlich: eine Duesseldorferin und eine Dame aus Bad Oeynhausen. War nett auch mal wieder ein Patientengespraech auf Deutsch zu haben.

 mein Zimmer

Blick von der Terrasse unseres Hauses auf dem Vulkan San Pedro
Blick auf Santiago

Hospitalito Notaufnahme

Hospitalito Notaufnahme


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