Am Freitag war ich wieder fit und so machte ich gleich dienstplangemaess meinen 24h-turno.
In der Frueh fragte uns José, ein Arzt im Hospitalito und mein turno-Kollege, ob wir nicht am naechsten Tag mit ihm in seine Heimatstadt Xela fahren wollten. Das war eh fuer 2 Wochen spaeter geplant. Wir sagten spontan zu.
Der Turno mit ihm verlief dann noch recht spannend.
Neben einigen anderen fuer mich sehr interessanten Praemieren die ich hier (mit Ruecksicht auf manche Leser) nicht weiter ausfuehren moechte holte ich um 23.30 "mein" erstes Kind auf die Welt! Ich hatte schon bei mehreren Kaiserschnitten assistiert (auch als 1. Assistenz), aber eine Geburt zu leiten ist dann doch noch mal was anderes.
Um 2:00 war ich dann im Bett. Um 4:00 wurde ich geweckt, es gaebe einen Patienten. In der Notaufnahme wunderte ich mich das José nicht da war - ich war als einziger geweckt worden (wieder eine Praemiere). Der Patient war recht typisch fuer das Hospitalito/ Santiago, deswegen moechte ich kurz ein wenig davon erzaehlen:
Der Patient war ein 15-jaehriges Buerschchen. Auf dem Triage-zettel stand als Konsultationsgrund "debilidad" - Schwaeche.
Total schlaftrunken spulte ich mechanisch ein Standardprogramm ab. Was ihm denn fehle? - er fuehle sich schwach - seit wann denn? - seit 1:00 - seit 3 Stunden??? - ja - es folgte der Rest der Anamnese die praktisch nichts auffaelliges ergab, ausser, dass er sich seit 3 Stunden "schwach" fuehle, ohne das konkretisieren zu koennen. Ich erlaubte mir die Frage, warum er denn unedingt jetzt, mitten in der Nacht, in die Notaufnahme kommen muesse. Leider verstand er mit seinem wenigen Spanisch die Frage nicht und auch auf Tz'utujil uebersetzt war es ihm noch nicht klar, was ich meinte. Schade.
In meiner Schlaftrunkenheit glaubte ich tatsaechlich die ganze Zeit noch, "da muss doch was sein, der hat doch irgendwas...".
Ich machte also einen kompletten (!) Status inklusive kompletten (!!) Neurostatus. Natuerlich vollkommen ergebnislos. Etwas frustriert fragte ich schliesslich, was er sich denn von mir erwarte. "nur ein paar Vitamine, Herr Doktor...".
Grossartig.
Ich suchte ihm ein paar Zucker-Vitamintabletten aus der Apotheke zusammen, schrieb ihm ein ganz wichtig aussehendes Rezept wie er denn die Zuckerl einzunehmen habe und kam mir dabei ein wenig vor wie ein Teddydoc. (Anm.: Das Teddybaerkrankenhaus ist ein Projekt der AMSA in dem wir jaehrlich mehrere hundert Kuscheltiere verarzten um Kindern das Mysterium Krankenhaus zu erklaeren).
Beim bezahlen der Rechnung (2,10€ fuer Vitamintabletten, 5,00€ fuer die Konsultation) quatschte der Pfleger noch ein wenig mit dem Patienten auf Tz'utujil. Ich stand daneben und starrte Loecher in die Luft. Ploetzlich meinte der Pfleger: "Ich glaube er hat gekrampft". Mein erster Gedanke war "Neeeeein, das darf doch nicht wahr sein! Bitte lass es nicht wahr sein, sonst muss ich José wecken, wir muessen ihn aufnehmen und das bedeutet mehr Arbeit und weniger schlafen!" - Hups...
Waehrend Anamnese und Untersuchung hatte der Patient wohl gemerkt kein! Wort in die Richtung angedeutet, noch hatte ich Anzeichen dafuer gefunden.
Auf genauere Nachfrage stellte sich allerdins heraus, dass er wohl lediglich aus dem Bett gefallen war, sich den Kopf angehauen hatte, einen Brummschaedel hatte, danach wachlag und sich Sorgen gemacht hatte.
Puh....
Danach konnte ich leider nicht mehr einschlafen; ich stieg also morgens um 10:00 mit 2 Stunden Schlaf in die Lancha (Motorboot) nach Panajachel.
Die Lancha war total vollgestopft, mit 17 Mann an Bord war sie mehr als voll besetzt. Sobald wir auf offenem Wasser waren stellte sich der Lago Atitlán als sehr unruhig heraus. Dummerweise fuhren wir auch noch gegen Windrichtung, so dass wir ganz schoen ueber die Wellen huepften. Die Wellen wurden auf offenem Wasser bis zu 1,5m hoch und nach jedem Wellenberg tauchten wir fast mit dem Bug in die naechste Welle ein. Die Leute wurden unruhig, der Steuermann verteilte das Gewicht um. Aenderte nichts. José neben mir, ein ehemaliger Nationalkaderschwimmer, zog sich schon mal die Schuhe aus damit er nachher leichter schwimmen konnte. Endlich entschloss sich der Steuermann zu wenden und zurueck nach Santiago zu fahren. Grosses Aufatmen. Wir landeten dann aber schliesslich an einem Steg ausserhalb von Santiago.
Nach einem laengeren Spaziergang wurden wir dann schliesslich auf der Ladeflaeche eines Pickups stehend nach San Lucas gebracht, von dort ging es mit einem Chickenbus nach Los Encuentros, von dort mit einem weiteren Bus kurz vor Xela und dann mit einem weiteren Bus ins Zentrum von Xela. Nach 3 oder 4 Microbussen waren wir dann schon bei José daheim und wurden von seinen Eltern sehr sehr freundlich aufgenommen.
Wir schauten uns die Stadt an, schliefen ein Stuendchen und gingen Abends mit José und einigen Freunden fort. Fortgehen in Xela ist nicht ganz so spektakulaer, da alle Lokale um 24:00 schliessen muessen.
Zum Glueck gibt es da "du weisst schon, diese Bar..", deren Besitzer einen Deal mit der Polizei gemacht hat und so rund um die Uhr offen hat und Alkohol verkauft. Ausserdem darf man bei ihm rauchen, was man sonst im ganzen Land nicht darf. Klingt alles ein wenig dubios? Ist es auch. Unsicher ist es trotzdem nicht, weil 3 fruendliche Gentlemen mit Pumpguns an der Tuer stehen und aufpassen, dass alle brav bleiben.
Nachdem wir bis 11:00 am Sonntag geschlafen hatten standen wir auf, fruehstuckten und wollten unseren Plan umsetzen, die Laguna Chicabal zu besuchen, einen Wassergefuellten Vulkankrater ausserhalb von Xela.
Nach einigem hin und her und wieder zurueck hatten wir uns schliesslich ein Auto ausgeliehen und fuhren zur Laguna. Um nicht so weit laufen zu muessen fuhren wir so weit wie moeglich mit dem Auto. D.h.: José fuhr, wir liefen hinterher, weil das Auto die wahnsinnige Steigung sonst nicht geschafft haette. Mit kochendem Motor liessen wir das Auto dann schliesslich stehen und wanderten noch eine knappe Stunde zur Laguna.
Diese ist uebrigens ein heiliger Ort fuer die Maya. (Das absurdestes an der Wanerung war, dass es ziemlich steil war, sowohl bergauf als auch bergab und ich die ganze Zeit ein Stueck Torte auf der Hand balancierte das wir uns als Nachtisch mitgenommen hatten. Das stelle man sich bitte bildlich vor)
Am Ufer angekommen picknickten wir. Es gab ein ganzes Grillhendl mit Tortillas. Leider hatten wir kein Besteck, so dass das Picknick am heiligen See der Maya eine sehr urige Erfahrung war.
Zurueck beim Auto war es schon dunkel. Bergab starb staendig der Motor ab was angesicht der Steigung wiederum recht ... aufregend war. Wir schafften es aber sicher nach Xela. Heute, am Montag, fuhren wir dann allein wieder zurueck nach Santiago. Diesmal war der Weg ein Klacks. ;)
Erwaehenswert ist uebrigens das "oeffentliche Verkehrssystem" in Xela: hunderte kleine asiatische Minibusse (Toyota, Kia...) mit 12 Sitzplaetzen, die regelmaessig mit bis zu 2 Personen vollgestopft werden (ich habe sie gezaehlt! Nicht uebertrieben!). Jeder Platz wird doppelt besetzt und ein paar stehen dann noch... die kleinen Maya muessen sich auch nur ein bisschen ducken. Sebi stand total verkruemmt da....
auf dem Pickup
im Chickenbus
in Xela
am See
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