yay, Feiertage ueberstanden und ein Internetcafé ("ciber") gefunden!
wir wissen jetzt ei wenig genauer wie das hier mit Unterkunft und Betreuung funktioniert.
wenn wir in Oesterreich eine IFMSA-Famulatur machen wollen bewerben wir uns, zahlen einen Betrag an die AMSA (der im wesntlichen in unseren Etat einfliesst sowie fuer einen auslaendischen Studenten - Incoming - verwendet wird) und das wars.
Wenn Mexikaner ein Praktikum im Ausland machen wollen muessen sie vorher einen Studenten aus dem Ausland beherbergen, versorgen und betreuen. Danach erst koennen sie fort.
Deswegen wohnen wir jetzt in Juans Wohnung, deswegen kommen taeglich abwechselnd einer (oder mehrere) von 5 Studenten, fragen wie's uns geht, ob wir was brauchen, fahren fuer uns oder mit uns einkaufen und zahlen dann natuerlich.
Juan selber ist ein ganz netter Kerl. Bei den anderen weiss ich nicht ganz woran man ist. Allgemein ist die Situation fuer uns ein wenig unangenehm weil wir staendig irgendwie beobachtet werden, wenn wir einkaufen nicht selbststaendig einkaufen... besonders witzig, als wir Kleidung fuers Spital gekauft haben: einer der 5, nennen wir ihn Rodrigo (aber ich habe seinen Namen vergessen) ist mit uns durch ein Bekleidungsgeschaeft und Schuhladen gedackelt, hat fuer uns Hemden ausgesucht ud uns sogar an die Umkleide gebracht...
am Schluss haben wir dann noch nicht einmal was gefunden.
Entgegen der Berichte von Vorgaengern reichen unsere Scrubs naemlich nicht aus (die traegt man hier ausschliesslich im OP); die Aerzte und Studenten tragen entweder komplett weiss + Mantel inkl. weisse Schuhe, Residentes (Assistenzaerzte) zT auch Hemd, feine Hose, Krawatte und den Kittel drueber.
Ich habe mir jetzt Hemd und Hose gekauft, Schuhe und Mantel leihe ich mir von Juan. Insgesamt haetten wir sonst gute 100€ ausgegeben, so sind es immerhin 30.
Zur Famulatur:
Wir muessen von 7:00-13:00 bleiben, bislang sind wir aber meist bis 17:00 geblieben.
Gestern war aber gar nichts los, den ganzen Tag nur 6 Patienten, davon 2 schon seit MOntag.
Nachtdienste sind freiwillig, werden wir aber auf jeden Fall machen. evtl wechseln wir au7ch auf eine Nachmittags-schicht. bislang sind wir auf Zuschauen und fragen beschraenkt; wenn nichts los ist lesen wir im winzigen Aufenthaltsraum oder unterhalten uns mit dem Personal. hoffentlich duerfen wir demnaechst ein wenig mehr mitmachen; das Problem ist, dass in Culiacán ein sehr starker Dialekt gesprochen wird, sie verschlucken Konsonanten oder ganze SIlben und sprechen ausserdem enorm schnell. Das Verstaendnis wir dvon Tag zu Tag besser und unser medizinisches Spanisch ebenfalls, fuers erste warten wir aber noch ein wenig.
Zum Spital und Notaufnahme:
Wir arbeiten im Hospital Civil Culiacán; hier werden Leute behandelt die keine eigene Versicherung haben. Das heisst zwar nicht ausschliesslich, dass sie ganz arm sind; es kann auch sein, dass die Leute zB einen kleinen Laden oder Stand haben, also selbststaendig; sie haben dann aber eben keine Versicherung und muessen Arbeitsmaterial, UNtersuchungen und Behandlung selber zahlen. Viele Patienten sind aber auch wirklich arm und ohne Versicherung.
Ich weiss nicht wie viele Betten das SPial hat, ich schaetze 300-400.
Es stehen Ultraschall, CT und sogar ein MR zur Verfuegung, ausserdem ein 24h Labor, OPs und eine Intensiv.
Die NFA hat 12 Betten, davon ein "Schockraumbett" mit Beatmungsplatz; 1 EKG (waere bei uns vor ca 10 Jahren im Einsatz gewesen: kein Bildschirm, nur ein Streifen, Saugglocken, keine Filter...) und 2 oder 3 mobile Monitore.
Das Pesonal:
Vormitags sind 1 "equipo" "internos" anwesend, das ist eine Gruppe von 4 Studenten im 6. Jahr die VOllzeit im Spital arbeiten. Sie sind Turnusaerzten vergleichbar, verdienen aber nichts (also wie Turnusaerzte ^^).
Ausserdem 1-2 Residentes, das sind Assistenzaerzte; meist ein erfahrener im 3-4. Jahr (es sind bis zu 4 Jahre fuer ein Fach) und ein juengerer. Ausserdem 3 Pflegekraefte.
Nachmittags gehen 1 residente und das equipo, ein residente und ein interno bleiben fuer den Nachmittag und die Nacht, bis 8:00 morgens oder wie die anderen dann jew. bis nachmittags.
die internos wecheln alle 2 Monate das Fach; leider hat das alte equipo gestern aufgehoert, sie waren unglaublich nett und haben viel erklaert; das neue equipo scheint nicht so nett zu sein. :(
das ist der Grund warum wir nachmittags arbeiten wollen: dann stehen wir ihnen nicht im WEg und duerfen evtl. mehr machen.
Die Medizin:
generelle Unterschiede: der klinische Eindruck hat einen deutlich groesseren Stellenwert als bei uns, er zaehlt fast alles. Bildgebung wird nur in Sonderfaellen gemacht aber nur mit konkreter Fragestellung (nicht wie bei uns: Ultraschall nach dem Motto "schaun wir mal"). Labor wird schon oefters gemacht, seltsamerweise aber v.a. Chemie und kleines (oder grosses) Blutbild. CRP hab ich bislang nur einmal gesehen, BSG machen sie gar nicht.
Ausserdem arbeiten sie nicht sonderlich (nicht) steril. Sie versuchen es zT zwar, aber eher nach dem Motto "is doch eh immerhin ein bisschen steril"; Handschuhe werden eher selten verwendet (es gibt sie aber). Haende werden gewaschen und nicht desinfiziert. auch der Patient wird nur bei groesseren Eingriffen desinfiziert. abdecktuecher werden kaum bis nicht eingesetzt.
Ansonsten ist es aber erstaunlich wie gruendlich und effizient sie trotz der Situation der Patienten (schwere Erkrankungen + keine Versicherung) arbeiten.
Was wir bislang oft gesehen haben: akuter Bauch, Lungenentzuendung/ respiratorische Infekte, Diabetes (als Grunderkranknung mit allen seinen Folgen: Amputationen von mehreren Zehen, Neuropathie, Augenerkrankungen, kaputte Niere...), Steinleiden der ableitenden Harnwege; auch Schusswunden kamen nicht zu kurz: die erste war ein schuss (bei vorgebeugtem Oberkoerper) von seitl. Brustkorb, Niere, Zwerchfell, Milz, Projektil irgendwo in Blasengegend; die zweite 4 Einschuesse Arm, Hals, Brustkorb, Bauch.
Trotz hoher Inzidenz ist die Traumaversorgung ueberraschend chaotisch und schlecht (wenn auch recht zuegig - die Patienten kamen bislang innerhalb von 30 min in den OP).
ich glaube man bekommt hier schon eine ziemlich dicke Haut. die menschlichkeit bleibt bei den meisten Aerzten auf der Strecke.
Als wir bemerkten, dass bei einem beatmeten Patienten die BEatmungsmaschine deskonnektiert war und der Patient zo ueber mehrere Minuten nicht beatmet war, wir das schnell behoben und das Personal darauf hinwiesen wurde das nur mit einem Schulterzucken und einem "Hoppla" kommentiert.
Zur Sicherheitslage:
Klar, Culiacán ist sicher nicht als "sichere Stadt" zu bezeichnen. Aber ich habe den EIndruck, dass die exzessive Gewalt ein Motiv hat und sich nicht wahllos gegen Unschuldig richtet. Das Motiv scheint meist eine Fehde zu sein, sei es familiaerer Art oder der Konflikt der Drogenbanden. Insofern ist ein Risiko fuer uns als unbeteiligte zumindest kalkulierbar. Eben wie immer und ueberall: Cuidado, Augen offen halten, Vorsichtig sein.
Ouf, so, das wars dann mal fuers erste.
Wenn du es bis hier geschafft hast und wirklich alles gelesen hast: Vielen Dank, ich freu mich, herzlichen Glueckwunsch! ;)
ich hoffe es war auch fuer nicht-Mediziner ueberwiegend verstaendlich. fuer Fragen bin ich jederzeit offen.
zum Schluss noch eine kleine Anekdote:
wir wurden gestern zum Essen ausgefuehrt, eine Spezialitaet der Region.
man nehme einen Plastikbecher und fuelle ihn mit: Nic-Nacs, Chips, Wurst, Kaese, Kaubonbons, fuele mit Sojasauce, Worcestersauce und Chililsauce auf und loeffele das ganze an einem Strassenstand. Mahlzeit!
Auf unserer Seite fiel auf Spanisch ein hoefliches "interessant" und auf deutsch "Puh, Oida... das schmeckt, wie wenn einer nach dem Filmabend seiner Kinder unterm Sofa wischt und das ganze dann mit Sauce wuerzt..."
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