Sonntag, 5. Juni 2011

Cali - letzte Famulatur

Endlich habe ich alle meine Famulaturen auf dieser Reise hinter mich gebracht, bin ich frei nur noch zu reisen, mit nur noch einem großen Termin in 74 Tagen, meinem Abflug, endlich.

In Cali hatte ich alles in allem eine gute Zeit. Ich habe wieder tolle Menschen kennengelernt, Freunde gefunden, hatte Spaß. Ich habe auch viel gesehen, etwas gelernt.


Die Famulatur:
Ich famulierte am Hospital Universitario del Valle (HUV) der Universidad del Valle zunächst in der Traumatologie, später in Gastrochirurgie. Das Spital ist mit knapp 1000 Betten das größte öffentliche Spital in Kolumbien. Die Patienten verfügen über die allgemeine Basisversicherung, sind im allgemeinen aber arm.

Trauma war sehr beeindruckend und lehrreich, aber auch bedrückend. 45% der Patienten (an vielen Tagen aber 100%) kommen mit der trocken abgekürzten Diagnose HPAF - herida por arma de fuego, Schussverletzung. Diese liegen oft im Kopf- oder Halsbereich. Die Motivation für die Angriffe sind willkürliche Gewalt oder Überfälle. Die meisten Patienten kamen aus zwei berüchtigten Stadtvierteln (Aguas Blancas und Siloé).
Ich hatte die gleichen Aufgaben wie hieisge Medizinstudenten im vierten Jahr: bei neuen Patienten die Erstbegutachtung, Anamnese und Status, bei Patienten auf der Aufnahmestation "Evolution", d.h. drei mal täglich Status und alle 24h eine neue Begutachtung. 
Die Arbeit begann morgens um 5:30 und endete meist gegen 17:00.

Da ich mir endlich mal eine Famulatur für mein Curriculum anrechnen lassen wollte wechselte ich nach einer Woche in Gastro- (Bauch)chirurgie.
Anfangs verbrachte ich meine Zeit mit einem Team kolumbianischer Studenten. Das vierte Jahr ist hier klinisch und so folgte ich ihrem Stundenplan. Wir hatten täglich jeweils 1-3h Seminar und bis zu 6h Arbeit entweder im consultorio – der Ambulanz -, einer Art Aufnahmestation oder im OP. 
Hier begann der Tag um 7:00 und endete gegen 18:00 wobei wir Mittags ca. 2h Pause hatten.
Die Arbeit selber war recht fad da wir zu viele Studenten waren und dadurch der einzelne wenig machen konnte. Die Tätigkeiten beschränkten sich praktisch auf Anamnese und Status.

Nach zwei Wochen bat ich um Erlaubnis ausschließlich im OP arbeiten zu dürfen was mir ohne weiteres erlaubt wurde.
Der OP-Plan begann um 7:00, der Chirurg kam aber frühestens um 8:30 so dass wir meist erst gegen 9:00 oder sogar später anfingen. Bei den meisten durfte ich steril am Tisch stehen und als zweite oder nicht selten sogar als erste Assistenz mitarbeiten. Die Arbeit war meist recht interessant weil die Profs sich sehr über einen ausländischen Gast freuten, viel fragten und während der OP meist viel erklärten. Je nach Prof und OP-Plan hatte ich hier keine oder bis zu 1h Mittagspause, heim ging ich zwischen 15:00 und 19:00.

Alles in allem war der Monat in Cali vom akademischen Blickwinkel nett, wobei Trauma das Beste war. Chirurgie war nicht schlecht aber nichts besonderes.


Haupteingang des HUV

Einer der acht OPs im Haupt-OP
 Der "filtro" - ein Auffangbecken für alle Notfallpatienten (außer Trauma), 
bevor sie erstbegutachtet werden

Ausserhalb des Krankenhauses
... habe ich mich selten frei bewegt. Cali halte ich für eine ziemlich gefährliche Stadt weswegen ich meist mit Taxis unterwegs war. Ausserhalb der Stadt war ich deswegen umso lieber. Jedes Wochenende war ich auf Ausflügen in die nähere oder weitere Umegbung die hier wirklich wunderschön ist.
Begleitet wurde ich von lieben Leuten die ich hier kennen gelernt hatte.
An einem verlängerten Wochenende zum Beispiel fuhr ich ins knapp 5h entfernte Salento wo Sebi mittlerweile ein zeitweiliges Heim gefunden hat! Ein anderes Wochenende waren wir wandern, wieder ein anderes in einem Nationalpark campen, mit über-dem-Feuer-kochen und Sternegucken.

 Ich wohnte bei einer kolumbianischen Oberklasse-Familie. Die Wohnung hatte gute 350 qm, ich ein eigenes Zimmer, ein Hausmädchen und gelegentlich einen Chaffeur.
Mittags aß ich in der Uni in einer unsäglich schlechten aber billigen Kantine oder in einem der dutzenden Restaurants ums Spital rum.
Das kolumbianische Essen finde ich allgemein ziemlich schlecht. Zwar gibt es unglaublich viele tolle Früchte (die exotischsten gibt es bei uns gar nicht: Lulo, Chontaduro, Tomate de arbol - Baumtomate), diese werden aber fast ausschließlich als Saft verwendet. Ein Frühstück besteht meist aus Kaffee und Rührei mit Arepas, das sind dicke Maisfladen mit Käse. Ein klassiches Mittagessen ist meist eine Suppe mit Huhn, Kochbanane und Kartoffeln und ein Hauptgericht mit sehr fettigem Fleisch, Kochbanane und Reis mit Linsen oder Bohnen – also Kohlenhydrate, Kohlenhydrate und Fett. Abwechslung gibt es kaum. 
In der ersten Woche aß ich effektiv 2-3 Eier pro Tag und an 2-3 Mahlzeiten pro Tag Fleisch. Schließlich erklärte ich mich als Vegetarier und weigerte mich Eier zu essen. Die Familie war sehr verwirrt und das Hausmädchen schmuggelte mir anfangs immer wieder Huhn ins Essen (denn pollo zählt nicht als carne) aber schließlich akzeptierten sie meine exzentrischen Essgewohnheiten. Fettig war das Essen trotzdem.

 Valle de Cocora in der Nähe von Salento
Lago Calima
untypisches kolumbianisches Mittagessen:
viel Salat, wenig Reis


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen